Neues internationales Abkommen über Geistiges Eigentum und genetische Ressourcen und assoziiertes traditionelles Wissen verabschiedet

Nach rund 20 Jahren Verhandlungen gelang es der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) in der Nacht auf Freitag, 24. Mai 2024, ein neues Abkommen über Geistiges Eigentum und genetische Ressourcen zu verabschieden. Das neue Abkommen sieht vor, im Rahmen von Patentanmeldungen die Herkunft der genetischen Ressourcen und des damit assoziierten traditionellen Wissens offenzulegen. Diese Massnahme soll die Transparenz erhöhen und damit zu einem besseren Schutz der Biodiversität beitragen. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) hat zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Schweiz an den Verhandlungen vertreten.

 

 

Genetische Ressourcen und das damit assoziierte traditionelle Wissen von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften sind wichtige Bestandteile der Biodiversität. Sie können als Ausgangspunkt für Innovationen in unterschiedlichen Bereichen dienen. Beispielsweise kann traditionelles Wissen über die heilende Wirkung einer Pflanze die Erforschung und Entwicklung von neuen medizinischen Wirkstoffen erleichtern. Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen spielen auch eine wichtige Rolle für Innovation in den Bereichen Kosmetik, Landwirtschaft und Ernährung sowie Biotechnologie. Deshalb können Erfindungen, die auf diesen Ressourcen oder auf diesem Wissen beruhen, auch Teil von Patentanmeldungen sein. 

Alle Länder haben laut dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt souveräne Rechte über ihre natürlichen Ressourcen und somit auch das Recht, den Zugang zu ihren eigenen genetischen Ressourcen zu regeln. Deshalb fordern insbesondere die biodiversitätsreichen Länder des Südens, und insbesondere auch Indigene Völker, seit Jahren eine Offenlegung der Herkunft der genetischen Ressourcen und des traditionellen Wissens in Patenanmeldungen. Mit dieser Transparenzmassnahme soll auch die sogenannte "Biopiraterie" verhindert und die Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergeben, erleichtert werden.

 

Inhalt des neuen Abkommens

Das neue Abkommen hat zwei Ziele: Erstens sollen die Wirksamkeit, Transparenz und Qualität des Patentsystems mit Bezug auf genetische Ressourcen und auf das damit assoziierte traditionelle Wissen verbessert werden. Zweitens sollen in diesem Zusammenhang keine Patente erteilt werden, die weder neu noch erfinderisch sind.

 

Diese Ziele sollen mittels einer Pflicht zur Offenlegung der Herkunft der genetischen Ressourcen und des traditionellen Wissens in Patentanmeldungen erreicht werden. Dabei soll das Ursprungsland der genetischen Ressourcen offengelegt werden, also das Land, in welchem diese ursprünglich in der Natur vorkommen. Sofern das Ursprungsland nicht bekannt ist, soll eine andere Quelle angegeben werden, von welcher die Erfinderin oder der Erfinder die genetischen Ressourcen bezogen hat (z.B. eine Genbank oder ein botanischer Garten). Ähnliches gilt für das damit assoziierte traditionelle Wissen. Bei der Nicht-Einhaltung dieser Offenlegungspflicht sollen angemessene und wirksame Sanktionen zur Anwendung kommen. Die auch im Abkommen vorgesehenen Informationssysteme sollen den Patentprüfenden helfen, relevante Informationen über genetische Ressourcen und traditionelles Wissen aufzufinden.

 

Die Schweiz kennt bereits eine Offenlegungspflicht der Quelle für genetische Ressourcen und das damit assoziierte traditionelle Wissen bei Patentanmeldungen (Art. 49a Patentgesetz). Der Abschluss der Verhandlungen in Genf führt zu keinen neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Schweiz. Die Schweiz hat nun ein Jahr Zeit, das Abkommen zu unterzeichnen und dieses anschliessend zu ratifizieren

 

Genetische Ressourcen und traditionelles Wissen am Beispiel der Maca-Pflanze

Die Maca-Pflanze (Lepidium meyenii) ist eine genetische Ressource, welche ursprünglich aus den peruanischen Anden stammt. Weder die Pflanze selber noch das traditionelle Wissen der indigenen Völker der Anden über die Verwendungszwecke der Maca-Pflanze können patentiert werden. Hingegen können Erfindungen, wie etwa ein neuer Wirkstoff, der aus dieser Pflanze isoliert, modifiziert und stabilisiert wird, patentiert werden. Solche neuen Wirkstoffe können beispielsweise für die Entwicklung neuer Medikamente oder Lebensmittelzusätze verwendet werden.

 

Nach dem neuen Abkommen müssen Patentanmelderinnen und -anmelder in Zukunft angeben, woher sie die Maca-Pflanze bezogen haben. Sofern sie bei der Entwicklung ihrer Erfindung auch das traditionelle Wissen darüber verwendet haben, müssen sie auch die Quelle dieses Wissens offenlegen.

Dank der neuen Offenlegungsplicht können einerseits Patentprüferinnen und -prüfer leichter feststellen, ob es sich tatsächlich um eine patentierbare Erfindung handelt. Andererseits hilft die so geschaffene Transparenz den indigenen Völkern und den Ursprungsländern genetischer Ressourcen zu erkennen, in welchen Erfindungen diese Ressourcen oder das traditionelle Wissen verwendet wurden. Somit können sowohl die betroffenen Ressourcen als auch das entsprechende Wissen in Zukunft besser geschützt werden. Ferner helfen die neuen Transparenzmassnahmen auch bei der Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung dieser genetischen Ressourcen oder des damit assoziierten traditionellen Wissens ergeben (z.B. das Teilen des Wissens oder der Gewinne aus der Maca-Pflanze). Letzteres ist eine Verpflichtung, die unter anderem in der Biodiversitätskonvention verankert ist.

 
 
 

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