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«IP-Schutz beginnt bereits bei Klauseln in Verträgen»

Antje Rey ist Präsidentin des Patentanwaltverbandes VESPA und berät seit über zehn Jahren unterschiedliche Firmen in Bezug auf deren Patentstrategie. Im Gespräch sagt sie, wie gerade die jungen Unternehmen ihr Geistiges Eigentum schützen sollten und welche Rolle die Patentanwältin oder der Patentanwalt dabei spielt. Einmal gemachte Fehler können manchmal nicht oder nur mit Mühe korrigiert werden.

 

IGE: Welche Rolle spielt der Patentanwalt im Innovationssystem Schweiz?

Eine sehr zentrale: Patentanwältinnen und Patentanwälte beraten Firmen zu allen Aspekten des Geistigen Eigentums (Red. Englisch: Intellectual Property, IP). Das betrifft nicht nur die klassischen Marken-, Patent- oder Designrechte, sondern auch den Schutz durch Geschäftsgeheimnisse oder Verträge mit Kunden und Lieferanten, die verhindern, dass wertvolles Wissen in falsche Hände gerät. Der IP-Schutz beginnt schon beim Formulieren von entsprechenden Klauseln in Verträgen und reicht bis zum Hinterlegen von eigenen Schutzrechten wie Marken und Patenten. Das Thema dringt durch so viele Bereiche, dass man als Unternehmen sehr gefordert ist. Hier hilft die Patentanwältin oder der Patentanwalt mit spezifischem Fachwissen und kann zu allen IP-Aspekten beraten. Dazu gehören  auch strategische Fragen.

 

Zum Beispiel?

Die IP-Strategie muss zum Geschäftsmodell des Unternehmens passen. Registrierte Schutzrechte wie Marken und Patente kosten Geld. Die Investitionen sollen sich lohnen. Daher ist es wichtig, ein IP-Portfolio aufzubauen und eine Strategie zu verfolgen, für welche sich das Investment lohnt. Die Patentanwältin oder der Patentanwalt kann hierbei entsprechend beraten und mitwirken. Die erarbeiteten Strategien sind individuell auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt. Ich berate seit über zehn Jahren verschiedene Firmen von Startups bis Grosskonzernen und konnte nie einen Fall 1:1 auf einen anderen übertragen. Diese strategische Tätigkeit macht unseren Beruf auch so spannend.

 

Wie beurteilen Sie den Schutzwillen von Schweizer Startups?

Startups sind besser informiert als vor zehn Jahren. Das hat auch damit zu tun, dass das IGE über das Thema stärker informiert und an Startup-Events präsent ist. Ausserdem gibt es viele Förderprogramme, in denen ein Informationsteil über IP enthalten ist. Wer innovativ ist, generiert Wertschöpfung. Innovationen sind wertvoll und verdienen es, geschützt zu werden!

 
 

Was erleben Sie, wenn Startups zu Ihnen kommen?

Einige kommen direkt am Anfang in der Gründungsphase zu uns und lassen sich beraten, so dass von Anfang an gezielt eine Strategie verfolgt wird. Andere kommen eher später, manchmal zu spät, also erst dann, wenn bereits Probleme mit Schutzrechten Dritter auftauchen. Spätestens dann, wenn ein Unternehmen gross genug ist um als konkurrenzfähiger Mitbewerber auf dem Markt aufzutreten, prüft die Konkurrenz sehr genau, ob durch den Markteintritt ihre Schutzrechte verletzt werden. Dann ist jedes Startup froh um eine solide IP-Strategie.

 

Schon öfters habe ich gesagt bekommen: «Wenn wir gewusst hätten, wie wichtig IP für den Erfolg unserer Firma ist, hätten wir uns schon eher damit beschäftigt». Daher ist es wichtig, rechtzeitig professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Fatal ist, dass sich manche Anfangsfehler bei der Hinterlegung von Schutzrechten nicht mehr korrigieren lassen.

 

Gibt es einen klassischen Fehler, den Startups immer wieder machen?

Es kann schnell geschehen, dass eine Erfindung veröffentlicht wird, bevor die Patentanmeldung hinterlegt wurde. Damit ist in den meisten Ländern kein Patentschutz mehr möglich. Wenn die Erfindung einmal öffentlich gemacht wird, gilt diese als Stand der Technik und ist daher sogenannt neuheitsschädlich für eine mögliche spätere Patentanmeldung. Deshalb: zuerst die Erfindung anmelden, dann die Technologie in Blogs etc. öffentlich machen.

 

In diesem Zusammenhang warne ich auch davor, eine Patentanmeldung selber zu schreiben, wenn einem der Schutz wichtig ist. Darauf sind wir Patentanwältinnen und Patentanwälte spezialisiert. Die Texte sind komplex und folgen einer eigenen Sprache. Hier muss jedes Wort und jede Formulierung sitzen. Die gewählten Worte entscheiden darüber, wie gut eine Erfindung geschützt ist. Firmengründer sollten sich aus den genannten Gründen sehr früh professionelle Hilfe holen.

 

Wie und wann soll ein Startup das Thema anpacken?

So früh wie möglich! Startups sollten sich vor der Firmengründung Gedanken zum Schutz Ihrer Ideen machen. Bereits bei der Frage, wie die Firma heissen soll, kommt der Markenschutz ins Spiel. Darf ich den Namen verwenden oder verletzte ich damit die Rechte Dritter? Sonst kann es sein, dass man eventuell plötzlich den Firmennamen nicht mehr verwenden darf, da dieser unter den Schutzbereich von Dritten fällt.  Es kostet meist viel mehr, die durch unprofessionelles Vorgehen entstandenen Probleme zu lösen, als von Anfang an professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Investition lohnt sich, schliesslich haben die jungen Unternehmen oft viel Zeit in den Aufbau ihrer Marke und ihrer Technologie investiert.

 
 

Der Schutz des Geistigen Eigentums ist für Startups auch ein beträchtlicher Kostenfaktor.

Eine Markenanmeldung ist günstiger als man meint. Wer sich eine Firmengründung leistet, sollte auch eine Marke anmelden. Das gehört zu den Basics. Bei den Patenten sind die Kosten deutlich höher. Natürlich muss sich die Investition amortisieren. Es geht also darum, dass man ein Produkt hat, für welches auch ein Markt vorhanden ist. Die IP-Strategie muss zum Geschäftsmodell passen.

 

Wenn über die Höhe der Kosten von Schutzrechten gesprochen wird, dann sollte jedoch auch bedacht werden, dass Geistiges Eigentum einen grossen Teil des Wertes einer Firma ausmacht, auch wenn er vielleicht so nicht direkt in der Buchhaltung aufgeführt ist. Es lohnt sich also, in Geistiges Eigentum zu investieren.

 

Antje Rey

Antje Rey ist seit 2024 Präsidentin des Verbandes der freiberuflichen Europäischen und Schweizer Patentanwälte (VESPA). Sie ist Schweizer und Europäische Patentanwältin und European Patent Litigator. Der Verband bietet regelmässig Weiterbildungsangebote für Mitglieder an. Der VESPA engagiert sich auch politisch. Der Verband bringt sich zum Beispiel ein, wenn es um Gesetzesänderungen im Bereich IP geht.

 

Die studierte Maschineningenieurin arbeitet seit mehr als zehn Jahren in einer Patentanwaltskanzlei in Zürich. Bei IBM Research in Rüschlikon absolvierte sie ihr Doktorat im Bereich Halbleiter- und Quantentechnologie. Nach der jahrelangen Forschungstätigkeit suchte sie eine neue Herausforderung mit mehr Kundenkontakt. Das Thema IP interessierte sie schon früh. «Ich meldete selber ein Patent an und besuchte Vorlesungen an der ETH über Geistiges Eigentum. So kam ich zu diesem Thema und es machte mir auf Anhieb Spass», sagt Antje Rey.

 

Was nützt mir ein Patent?

Mit einem Patent kann ich Dritten verbieten, die geschützte Erfindung zu kommerzialisieren. Oft bemerkt der Inhaber einer Patentanmeldung oder eines Patents den Nutzen gar nicht direkt. Etwa dann, wenn ein Unternehmen ein Schutzrecht findet, das potentiell verletzt werden könnte und aufgrund dessen auf den Markteintritt verzichtet. Diese Informationen hat der Patentinhaber aber natürlich nicht.

 

Da Dritte ein patentgeschütztes Produkt nicht einfach so vertreiben dürfen, ist natürlich auch eine höhere Preisgestaltung beim Verkauf des geschützten Produkts möglich.

Ausserdem sind Investoren oft eher bereit, in Startups zu investieren, welche Schutzrechte besitzen. Sollte es mit der Firma nicht klappen, kann man immer noch die Schutzrechte verkaufen. Sie helfen auch, an Fördergelder zu kommen. Das sehen wir in der Praxis.

 

Was muss ich mir als Startup bei einer möglichen Patentanmeldung überlegen?

Es sind vor allem wirtschaftliche Überlegungen. Es macht womöglich keinen Sinn, international Patentschutz anzustreben, wenn ich das geschützte Produkt nur in der Schweiz produziere und verkaufe. Das Startup bzw. KMU muss sich Gedanken machen, in welchen Ländern man das Produkt verkaufen will und wo die Mitbewerber ihren Standort haben. Diese und weitere Überlegungen sind Teil der IP-Strategie, die wiederum mit der Geschäftsstrategie einhergeht.

Zum Beispiel ist auch nicht immer diejenige Erfindung am Meisten schützenswert, welche am Schwierigsten zu entwickeln war. Das Schutzrecht solle sich auf diejenige Erfindung fokussieren, die dem Unternehmen am meisten Vorteile bringt.  Manchmal sind es die vermeintlich einfachen Erfindungen, die Umsatz bringen. Das sind zum Beispiel Ersatzteile. Oder man sichert langfristig seine Einnahmen mit den Kaffeekapseln und nicht mit der Maschine selber.

 

Als Startup werde ich mit vielen anderen Firmen konfrontiert. Wie finde ich heraus, was in meiner Branche passiert?

Eine frühzeitige Recherche in den öffentlichen Datenbanken ist Pflicht, um Konflikte zu vermeiden. Jeder und Jede ist von Gesetzes wegen dazu verpflichtet sicherzustellen, dass keine Schutzrechte Dritter verletzt werden. Das fängt wie bereits erwähnt beim Markennamen an und setzt sich bei der Technologie fort, die ich verkaufe. Mit dieser Recherche, im Fachjargon Freedom to Operate (FTO) genannt, muss ich mich als Startup auseinandersetzen.

Ob Ein-Mann-Betrieb oder mehr: Die Erfahrung zeigt, dass man ohne Abklärung von der Konkurrenz schnell in seine Schranken gewiesen wird. Diese überwacht den Markt und will wissen, wer in ihrem Gebiet aktiv ist und Marktanteile abjagen könnte. Besonders bei potenziellen Markenkonflikten verstehen viele Unternehmen keinen Spass.

 

Berufsbild Patentanwalt

Eine Patentanwältin oder ein Patentanwalt arbeitet sehr selbständig. In der vielseitigen Tätigkeit ist man am Puls von Technologien und kann verschiedenen Unternehmen mit dem Schutz ihrer Ideen helfen. «Dadurch entstehen auch langjährige Geschäftsbeziehungen, was ich sehr schätze», sagt Antje Rey. Neben dem Kundenkontakt reizt sie an der Arbeit auch die Recherche in den Datenbanken und das präzise Formulieren einer Patentschrift. Man führt die Verfahren für die Mandaten, schreibt und liest viel und muss bei Entwicklungen am Ball bleiben. Sowohl das technische Gebiet, auf das eine Patentanwältin oder ein Patentanwalt spezialisiert ist, als auch die Rechtsprechung halten einen auf Trab. Die Patentanwältinnen und Patentanwälte in der Schweiz sind dafür gut gerüstet: «Die Ausbildung ist in der Schweiz sehr professionell und ganzheitlich für die Beratung in allen Gebieten des Geistigen Eigentums ausgelegt», sagt Antje Rey.

 

Werden Sie Schweizer IP-Spezialist und Patentanwalt

Das IGE führt in Zusammenarbeit mit den Patentanwaltsverbänden: VESPAVSP und VIPS einen Lehrgang zum Schweizer IP-Spezialisten und Patentanwalt (SIPSPA) durch.

Nächster Kursstart: 5. September 2025 (Anmeldeschluss für den gesamten Lehrgang: 1. August).

 

Der Lehrgang dient einerseits zur Vorbereitung für die jeweils im Herbst stattfindende eidgenössische Patentanwaltsprüfung und deckt alle relevanten Themen der Prüfungsteile 3 und 4 ab. Die Ausbildung steht aber auch Interessenten offen, die ihr Wissen auf bestimmten Gebieten erweitern oder auffrischen wollen.

 

Weitere Informationen zum Lehrgang

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