Die Distanz von 3823 Kilometer zwischen Bern und Teheran konnte aufgrund von Corona nicht physisch überwunden werden. Trotzdem sind sich beide Parteien auch so nähergekommen. In verschiedenen Formen von Online-Sitzungen lernte man die Bedürfnisse der anderen Seite besser kennen. Schutzrechte sind auch im Iran von Bedeutung - insbesondere für die lebendige Startup-Szene.
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«Wir haben die Herausforderung gemeinsam gemeistert»
Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) unterstützt Iran bei der Stärkung des Schutzrechtsystems. Zeinab Ghafouri, Projektleiterin des IGE, zieht nach einem Jahr Bilanz. Sie erzählt im Interview über die Zusammenarbeit via Video, was bisher erreicht wurde und geht auf kulturelle Unterschiede ein.
Vor einem Jahr startete das IGE eine Zusammenarbeit mit dem Iran. Wie kam es dazu?
Zeinab Ghafouri: Die internationale technische Zusammenarbeit im Bereich des Geistigen Eigentums ist Teil des gesetzlichen Auftrags des IGE. Hintergrund der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Iran sind die Roadmap für die Vertiefung der bilateralen Beziehungen von 2016 sowie das 2017 in Kraft getretene Handelsabkommen. Beide Vereinbarungen umfassen auch die technische Zusammenarbeit im Bereich des Geistigen Eigentums. Das Projekt mit Iran ist eines von mehreren IK-Projekten (Internationale Kooperationen) des IGE. Jenes mit Iran wird vollumfänglich vom IGE finanziert, während die anderen laufenden Projekte vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) finanziert werden. 2018 hat das Intellectual Property Office (IPC) in Iran erstmals mit uns Kontakt aufgenommen, und im Oktober 2019 haben wir den Zusammenarbeitsvertrag unterschrieben. Im Januar 2020 haben wir dann mit der Projektumsetzung begonnen.
Was ist das Ziel des Projekts?
In Absprache mit unseren iranischen Partnern wollen wir das dortige IP-System auf verschiedenen Ebenen stärken, damit es noch besser im Einklang mit dem globalen System ist und IP-Rechte gut geschützt sind. Diese Arbeit unterstützt auch die wirtschaftliche Entwicklung Irans. Unser Projekt umfasst beispielsweise die Überprüfung der aktuellen IP-Gesetzgebung, Schulungen und technische Beratungen. Neben dem IPC stehen wir in Kontakt mit verschiedenen iranischen Ministerien, der Kreativwirtschaft und Startup-Firmen, um ihre Bedürfnisse abzuholen und sie zu beraten. Sie müssen wirklich von diesem IP-System profitieren können. Beeindruckend ist auch die grosse Zahl an Produkten mit geografischen Angaben (GI). Dazu gehören z.B. Teppiche, Safran, Pistazien und Handwerkserzeugnisse. Auch sie sollen vom IP-System profitieren können, weshalb sich das Projekt u.a. auf dieses Thema fokussiert.
Wie handhabt Iran das Geistige Eigentum?
Es existiert bereits ein IP-System. Dieses braucht jedoch eine Auffrischung, damit es besser im Einklang mit dem globalen IP-System ist. Wir wurden von den iranischen Partnern gebeten, sie mit Beratungen und Schulungen in dieser Hinsicht zu unterstützen. Ziel ist, noch vermehrt das Potenzial von IP aufzuzeigen und IP-Nutzern, wie den Gründern von Startups, zu helfen, noch verstärkt vom IP-System zu profitieren.
Wie präsentiert sich die Startup-Szene?
Sie ist gross und aktiv. In mehreren Technologieparks arbeiten zum Beispiel top IT-Leute wie etwa Programmierer. Wie man Geistiges Eigentum bzw. dessen Schutz zur Kommerzialisierung nutzen kann, ist denn auch ein grosses Thema in der Startup-Szene.
Welche Bilanz ziehen Sie als Projektleiterin nach zwölf Monaten?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Erreichten, denn das vergangene Jahr war herausfordernd. Bis auf einen Besuch Anfang 2020 mussten wir wegen Corona das gesamte Projekt online aufbauen und umsetzen. Normalerweise finden zur Etablierung der persönlichen Kontakte und der Umsetzung von Projektaktivitäten Missionen vor Ort statt, die fünf bis zehn Tage dauern. So spürt man den Kontext und die Menschen. Gegenseitige Besuche waren aber wegen Corona nicht möglich. Die virtuelle Lösung war für beide Seiten eine grosse Herausforderung, doch wir haben sie alle mit viel Engagement und Flexibilität gemeistert. Teilweise konnten wir so sogar noch bessere Ergebnisse erzielen.
Haben Sie ein Beispiel?
Ja, dies gilt etwa mit Bezug auf die Produkte mit (GI). Normalerweise studieren die von uns eingesetzten Experten den Kontext der fraglichen Produkte und gehen dann auf eine längere Mission vor Ort. Sie treffen Vertreter von Regierungsbehörden und Ministerien, Produzenten von lokalen GI-Produkten, Verarbeiter und andere relevante Akteure. Unsere Experten sollen möglichst viele Informationen aufnehmen und diese in konkrete Vorschläge verarbeiten, wenn sie zurück sind. Da eine Mission hier wegen Corona nicht in Frage kam, änderten wir die Vorgehensweise und sammelten diese Informationen mittels einer schriftlichen Umfrage und einem Coaching. Auf diese Weise wurden die Informationen während drei Monaten mit einer gründlichen Analyse des Kontextes und mit Diskussionen mit unseren iranischen Partnern gesammelt. Die erzielten Ergebnisse sind so viel ausgereifter, da unsere Experten für ihre Abklärungen mehr Zeit zur Verfügung hatten.
Wie muss man sich Ihre Arbeit konkret vorstellen?
Wir sprechen nicht nur mit unserem Hauptpartner, dem IPC, sondern arbeiten auch mit vielen weiteren iranischen Ministerien und Behördenstellen im Bereich Patente, Marken, Urheberrecht und GIs zusammen. Hinzu kommen Partner aus der Privatwirtschaft und Produzenten von landwirtschaftlichen und handwerklichen Produkten. Das Wichtigste ist für mich, besonders im ersten Jahr des Projekts, dass wir die Beziehungen und das Vertrauen zwischen den Projektbeteiligten haben aufbauen können. Aus Erfahrung weiss ich, dass die Vertrauensbildung zentral ist, denn nur so läuft die Projektumsetzung stabil. Das kostet zwar viel Zeit, entscheidet aber wesentlich über den Erfolg eines Projekts. Beide Seiten müssen wissen, wer was macht, die Arbeitsweise des jeweils anderen kennenlernen sowie gegenseitig die Bedürfnisse und Erwartungen abfragen.
Nicht nur geografisch liegt man weit auseinander, sondern auch kulturell. Wie kommt man mit der anderen Kultur zurecht?
Die kulturellen Unterschiede sind gross, was ja für beide Seiten gilt. Das Wichtigste ist Empathie und, dass alle Beteiligten verstehen, wie der andere Partner handelt und weshalb er das tut. Es ist nicht immer so einfach, sich in die Lage der anderen Seite hineinzudenken. Manchmal geht es auch einfach darum, den Kontext zu verstehen und zu akzeptieren.
Haben Sie ein Beispiel für die Unterschiede?
Wir arbeiten von Montag bis Freitag. Im Iran ist dies jedoch von Samstag bis Mittwoch der Fall. Wir haben also nur drei gemeinsame Arbeitstage pro Woche. Das haben wir gut hinbekommen. Ich nenne Ihnen noch ein weiteres Beispiel: Schweizer sind weltweit bekannt für ihre Pünktlichkeit. Im Iran sind die Leute mit 10-15 Minuten Verspätung immer noch pünktlich. Auch das haben wir grossmehrheitlich in den Griff bekommen. Inzwischen sind die Vertreter beider Seiten jeweils sogar 30 Minuten vor einem Videoanruf virtuell anwesend.
Waren Sie beim Aufbau der Zusammenarbeit eher Ringrichterin oder Brückenbauerin?
Ich sehe mich als Brückenbauerin. Als Iranerin verstehe ich die Kultur Irans. Das hat bei den Kontakten sehr geholfen. Wichtig war, dass ich 2019 für die Planung des Projekts und Anfang 2020 für den Beginn der Projektumsetzung nach Teheran reisen konnte. Das ermöglichte mir, die Partner persönlich kennenzulernen und zu erleben. In unserer Kooperationsstrategie steht an erster Stelle: Wir versuchen, die andere Seite zu verstehen. Ich höre allen Beteiligten zu und bringe sie zusammen. Ich denke, in diesem ersten Jahr der Projektumsetzung haben wir es denn auch geschafft, viel Vertrauen zu unseren iranischen Partnern aufzubauen. Sie sind sehr motiviert und schätzen unsere Zusammenarbeit. Auch wir sind unseren Zielen in diesem Projekt verpflichtet.