Seit seiner Jugend ist der Laufsport Nils Altrogges grosse Leidenschaft. An der Universität Paderborn schliesst er das Studium der Sportwissenschaften ab. Wenige Jahre später folgt ein Ingenieurstudium. Bei On steigt er 2015 als einer der ersten Mitarbeiter in der Innovation und Entwicklung ein. Seitdem entwickelt er mit seinem Team an neuen Laufschuhen, die auch nachhaltig sein sollen. Trotz des Kernprodukts Schuhe sieht er On als Technologieunternehmen.
Für IP-Professional
Sie befinden sich auf dem Portal für Fachleute, die im Bereich des Geistigen Eigentums arbeiten. Hier finden Sie Direktzugänge zu allen notwendigen Hilfsmitteln.
Sportschuh-Erfinder: «Die Natur ist der beste Ingenieur»
Wenn es um Laufschuh-Technik geht, kennt der Einfallsreichtum keine Grenzen. Beim Schweizer Hersteller On kam in einem Fall sogar der Specht zu Hilfe, sagt Nils Altrogge, Head of Technology und Innovation im Interview. Der 32-Jährige verrät ausserdem, wie er die Lust auf Erfindungen behält und welche Rolle der Schutz des geistigen Eigentums spielt.
Nils Altrogge, Sie beschäftigen sich täglich mit Sportschuhen. Wie viele Exemplare stehen eigentlich in Ihrem Schrank?
In einer Laufschuhfirma besteht die Innovation auch daraus, die Produkte zu testen. Nur wenn ich weiss, wie sich ein Produkt anfühlt, kann ich es auch mit dem Team entwickeln. Das heisst, mein Schrank ist wirklich voll… Ich habe definitiv mehr Schuhe als meine Frau.
Joggen Sie?
Ja. Laufen ist mein grosses Hobby. Neben der sogenannt wissenschaftlich basierten Innovation entwickeln wir ein Produkt, das für Menschen funktionieren muss. Das Verständnis für Komfort und den Schuh insgesamt ist sehr wichtig. Laufen ist für mich ein grosser Teil davon.
Wo holen Sie sich die Inspirationen für neue Laufschuhe?
Wir schauen zum Beispiel bei der Natur genau hin. Sie ist der beste Ingenieur und hat über Millionen von Jahren Lösungen für verschiedene Probleme entwickelt.
Zum Beispiel?
Bei der Wasserfestigkeit ist der Lotusblüten-Effekt der Klassiker, um die Oberflächenspannung zu verändern. Bei der Verbesserung des Dämpfungssystems der Laufschuhe hat uns der Specht inspiriert. Der fleissige Vogel hämmert mit seiner Spitze mehrere tausend Male pro Minute gegen einen Baum. Trotzdem weist sein Gehirn keine Schädigungen auf. Der Grund: Im Schädel befinden sich hintereinander viele kleine Knochenhohlräume. Jedes dämpft einen Teil des Aufpralls ab. Der Specht hat vermutlich die beste Dämpfung der Welt. Deshalb haben wir an unseren Sohlen unterschiedliche Löcher oder Clouds - so nennen wir die hohlen Dämpfungselemente unserer Schuhe aneinandergereiht, um den Dämpfungseffekt zu verstärken.
Wo schauen Sie noch genau hin?
Zum Beispiel auf die Automobilindustrie. Wir blicken auch in Bereiche, die nicht mit Konsumprodukten zu tun haben. In der Bauindustrie erhalten wir Anregungen für Material und Konstruktionsmöglichkeiten. Beim Thema Nachhaltigkeit blicken wir in Bereiche, wo man Dinge wieder auseinanderbauen muss, um Materialien zu trennen und zu rezyklieren.
Was fasziniert Sie an der Entwicklung von Sportschuhen?
Die Bewegung mit Technologie zu verbinden. Sport war immer meine grosse Leidenschaft. Ebenso hat mich interessiert, welche Gegenstände und Tools helfen, Menschen zur Bewegung zu motivieren oder sie schneller oder besser zu machen. Bei On kann ich Sport und Technologie ideal verbinden.
On entwickelt laufend neue Sportschuh-Technologien. Werden die Innovationen patentiert?
Ja, weil wir sehr viel Zeit und Geld in neue Ideen investieren. Mit dem Patent schützen wir uns wirksam vor Dritten und ermöglichen einen Return on Investment.
Gibt es so etwas wie den heiligen Gral im Sportschuh-Business? Etwas, dem alle Hersteller nachjagen?
Die Nachhaltigkeit, ein CO2-neutraler Schuh. Auf der sportlichen Ebene ist es ein Schuh, der nachweislich und wissenschaftlich geprüft, Verletzungen signifikant reduziert. Diesen heiligen Gral zu knacken und noch mehr Leute zum Laufen oder einfach zur Bewegung zu bringen, ist sehr herausfordernd.
Stichwort Nachhaltigkeit. Wie grün sind On-Sportschuhe?
Wir stehen am Anfang. Die Modeindustrie hat grossen Einfluss auf den Co2-Ausstoss. Wir wollen dafür Verantwortung übernehmen. Wenn wir ein Produkt auf den Markt bringen, geht es nicht nur darum, wie es sich anfühlt oder den Läufer unterstützt. Heute spielt auch das das Life Cycle Assessment (LCA) eine Rolle, also wie viel CO2 verbraucht wird, um den Schuh zu produzieren. Das ist ein Wert, wonach wir entscheiden, ob ein Produkt auf den Markt gebracht wird. Wir wollen möglichst viele Materialen nutzen, die nicht aus fossilen Brennstoffen stammen. Schliesslich spielt auch eine Rolle, welches Schuhdesign sich für das zirkulare Recycling am besten eignet.
Wie bleiben Sie innovativ? Wie verliert man sich nicht in all den tollen Ideen?
Wir können dafür sorgen, dass Laufschuhe neu gedacht werden. Das ist unglaublich motivierend. Aber ja, es ist anspruchsvoll, den Fokus zu behalten. Im Kern geht es darum, strategisch sauber zu arbeiten und sich immer wieder zu hinterfragen, welche Projekte das Unternehmen wirklich weiterbringen. Am kritischsten sind jene Projekte, die superspannend sind, aber vor allem viel Zeit kosten. Man verfolgt sie nur, weil sie eben cool und spannend sind.
Was ist daran problematisch?
Diese Projekte lassen sich häufig nicht kommerzialisieren und zahlen auch nicht auf die Firmenvision ein. Ich und andere in leitender Funktion stehen in der Verantwortung, laufend zu prüfen, welche Projekte uns wirklich weiterbringen. Das geht nur durch aktives Bearbeiten eines Portfolios. Der Fokus ist zentral: Wir haben deshalb sogenannte «Kill your Darling»-Sessions etabliert. Alle zwei Monate werden dort Projekte geprüft und allenfalls auch gestoppt.
Hinweis: Das Interview fand am 25. Oktober im Rahmen der Veranstaltung SEF.Growth (IGE ist Main Partner) in Bern statt. Nils Altrogge hielt an diesem Abend ein Referat über Innovation.
Erfinder-Service
- Beschäftigen Sie sich mit einer Idee oder Erfindung und fragen sich, ob sie sich patentieren lässt? Finden Sie es mit einer Begleiteten Patentrecherche heraus.
- Fünf Tipps im Umgang mit Ihrem geistigen Eigentum.
- Entwickeln Sie Ihre Schutzstrategie.