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«Recherchen zu einer Erfindung sind absolut zentral»
Mit Profi-Kaffeemaschinen aus dem Wallis fährt die Eversys AG auf der Erfolgsstrasse – auch dank vier Schlüsselpatenten. Mitgründer und Ingenieur Robert Bircher erzählt im Interview, wann es einen Patentschutz braucht und was er bei seiner ersten Patentanmeldung falsch gemacht hat.
Robert Bircher ist Mitgründer der Eversys SA und hat zahlreiche Erfindungen zum Patentschutz angemeldet. Copyright: Eversys
Robert Bircher sammelte über die Jahre Erfahrungen mit Patenten. Der Schweizer Unternehmer und El. Ing. HTL baute mehrere Firmen auf, darunter als Co-Gründer die Schweizer Eversys AG mit Sitz in Siders. Im Unternehmen bestand seine Haupttätigkeit u.a. aus der Entwicklung und Produktion professioneller, automatischer Kaffeemaschinen.
Heute schützen vier Schlüsselpatente die Barista-Kaffeemaschine von Eversys, welche Kaffee auf Barista-Niveau herstellt. Das 2009 im Wallis gegründete Unternehmen beschäftigt über 300 Mitarbeitende. Seit 2021 gehört Eversys im Zuge einer Nachfolgeregelung zur DeLonghi-Gruppe. Im Teilpensum unterstützt er weiterhin den Übergabeprozess und ist so noch mit der Firma verbunden.
Was fasziniert Sie an Kaffeemaschinen?
Ich bin ein intensiver Kaffeetrinker. Mein Tagesbedarf beschränkt sich aber heute auf 3-5 Tassen. Früher waren es zehn und mehr. Das habe ich wohl von meiner Mutter, die auch grosszügig Kaffee getrunken hatte. Das Schlüsselerlebnis passierte, als ich als Neunjähriger im Garten unserer italienischen Nachbarn aushalf. Die Familie besass eine Espressomaschine und ich sah zum ersten Mal einen Siebträger. Die Frau wollte mir zuerst nur Limonade einschenken, doch ich bestand auf einen Espresso. Im Dorf sorgte es für Furore, dass ein Knirps Espresso trank. Jedenfalls war bei mir die Faszination für Kaffee und die Maschinen geweckt.
Sie haben 2009 mit ihrem Geschäftspartner bei Eversys eine Kaffeemaschine erfunden, die den Arbeitsvorgang eines Baristas vollständig spiegelt. Ein bisher einzigartiges Verfahren, das in der Branche nicht unbemerkt blieb.
Uns war schnell klar, dass wir einen Schutz brauchten, denn bereits eine Woche nach der Gründung unserer Firma erhielten wir Post vom Anwalt eines Mitbewerbers. Man würde uns sehr genau beobachten und werde sofort auf jede Patentverletzung reagieren, stand im Schreiben. Spätestens dann waren wir sensibilisiert. Wir haben mit unserer Erfindung eine Nische in der Kaffeebranche gefunden. Das war ein Paukenschlag. Hersteller bauten bisher Automaten oder traditionelle Maschinen. Die Kombination war noch kein Thema. Entsprechend wichtig war der Schutz des Wissens. In der Kaffeemaschine stecken vier Schlüsselpatente. Sie sind immer noch in Kraft und entstanden auch im Bewusstsein darum, dass wir sehr genau beobachtet wurden. Und ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits aus den Fehlern meines ersten Patent-Abenteuers gelernt.
Erzählen Sie.
Einige Jahre zuvor habe ich eine Erfindung zum Patentschutz eingereicht und mir beim Vorgehen wenig Gedanken gemacht. Ich habe die Patentschrift selbst verfasst und die Erfindung nur für die Schweiz schützen lassen. Zudem stellte sich heraus, dass für die Innovation kaum ein Markt existiert. Ein Patentanwalt hätte wohl das nutzlose Patent verhindert und die Recherche hätte ergeben, dass die Erfindung ungenügend geschützt ist. Diese Premiere war für mich ein «Lehrblätz». Seit dem Start von Eversys arbeiten wir deshalb mit einem Patentanwalt zusammen, der sich um die Anmeldung der Erfindungen kümmert und mit dem wir die Patentschrift formulieren, um Fehler zu vermeiden. Zusätzlich überwacht er den Markt nach Patenten, die uns gefährlich werden könnten. Das bewährt sich.
Wie viele Patente besitzt Eversys?
Es sind knapp 80. Das Management der Patente ist sehr wichtig geworden. Wir überprüfen jedes Jahr das Portfolio und stellen uns folgende Fragen: Wo lohnt es sich, das Patent zu verlängern? Welche Patente sind wichtig, um unseren Markt zu schützen, bzw. Mitbewerber fernzuhalten? Und welche können wir fallen lassen? Die Aufrechterhaltung von Patenten erfordert erhebliche Mittel, weshalb es Sinn macht, das Portfolio regelmässig zu pflegen.
Was machen Sie heute beim Patentschutz anders?
Wir überwachen den Markt intensiver. Sehr wichtig ist die sogenannte Freedom-to-Operate-Recherche (FTO). Damit stellen wir sicher, dass wir mit unserer Erfindung nicht Dritten auf die Füsse treten und sozusagen freie Bahn haben. Natürlich halten wir auch die Augen nach neuen Entwicklungen offen – und nicht nur in unserem Gebiet.
Die Mitbewerber freuen sich nicht unbedingt über neue Anbieter. Besonders dann nicht, wenn sie wie Eversys bisherige Märkte gefährden. Müssen Sie seitdem viele Konflikte ausfechten?
Wir mussten bis heute noch keinen Mitbewerber abmahnen, dessen Erfindung unseren Patenten zu nahe gekommen wäre. Unsere Schlüsselpatente sind einfach sehr gut. Eine Innovation kann zur Folge haben, dass renommierte Kunden plötzlich auf das neue Produkt setzen und den bisherigen Hersteller nicht mehr berücksichtigen. Das mussten wir einmal vor dem Start einer Messe erfahren.
Was ist passiert?
Ein Mitbewerber wollte uns mit einer superprovisorischen Verfügung einschüchtern. Das war ein hochstrategischer Akt. Wäre er damit durchgekommen, hätten wir unseren Stand schliessen müssen. Wir boten an, dass die Firma nach dem «Open-Door-Prinzip» alles prüfen könne, was ihrer Meinung nach ihre Rechte verletzte. Daraufhin hörten wir nichts mehr. Am Messestart war zur Sicherheit unser Anwalt vor Ort, aber es ist nichts passiert. Wir werden von den Konkurrenten wahrgenommen und einige kämpfen mit harten Bandagen.
Infobox: Tipps von Unternehmer Robert Bircher rund um Patente
Beobachten: Suchen Sie den Markt laufend nach neuen Patenten ab, die Ihnen zu nahe kommen könnten. Diese Arbeit kann z.B. ein Patentanwaltsbüro übernehmen.
Jedes Patent ernst nehmen: Das Patent ist keine Garantie für Erfolg. Es kann immer von Mitbewerbern angegriffen werden, besonders nach der Publikation. Rechnen Sie damit, dass Sie ein Detail übersehen haben. Fühlen Sie sich nicht zu sicher und nehmen Sie jedes Patent von Dritten ernst.
Recherchen sind absolut zentral: Wenn wir bei Eversys ein Patent einreichen, prüfen wir zuvor intensiv, was bis zu diesem Zeitpunkt an Technik bekannt ist. So wissen wir, ob unsere Erfindung auch wirklich patentierbar ist. Und wir erfahren, ob wir mit unserer Innovation Dritten gefährlich nahekommen und Konflikte drohen. Das Ziel ist, dass Sie sich mit dem Patent auf dem Markt durchsetzen können.
Nicht zu spärlich schützen: Ich stehe regelmässig in Kontakt mit Jungunternehmern. Sie versprühen viel Optimismus, aber beim Thema IP fehlt es häufig an Substanz. Damit meine ich z.B. die Qualität der Patente. Sie patentieren eine Erfindung, damit sie patentiert ist. Dabei ist aber der geschützte Bereich nur ein Mini-Aspekt und deckt nicht ein ganzes Gebiet ab. Das wäre jedoch nötig für einen grösseren Schutz. Ansonsten können die Mitbewerber das Patent unbesorgt ausser Acht lassen.
Profis beiziehen: Die Patentanmeldung sollte ein Patenanwalt übernehmen. Er weiss, welche Formulierungen in der Patentschrift entscheidend sind. Das ist alles andere als trivial. Jedes Wort zählt!
Nutzen prüfen: Eine geniale Erfindung ist ohne entsprechende Anwendung nur von geringem Nutzen.