|

Swiss handmade: Wie ein Unternehmen Velos in der Schweiz lötet, montiert und lackiert

Als letzter Schweizer Fahrradfabrikant lötet das Traditionsunternehmen Aarios AG auch heute noch die Fahrradrahmen selber. Anlässlich der Aktion «Bike to work» hat das Institut für Geistiges Eigentum der «Fabrik für handgebaute Fahrräder» einen Besuch abgestattet und dem ehemaligen Geschäftsführer, Arnold Ramel, bei der Produktion seiner Velos mit Label «swiss handmade» über die Schulter geschaut. Arnold Ramel ist nach wie vor täglich im Geschäft anzutreffen, obwohl die Aktien der AG bereits seit Jahren auf die nächste Generation übertragen sind.

Arnold Ramel, ehemaliger Geschäftsführer der Aarios AG
Arnold Ramel, ehemaliger Geschäftsführer der Aarios AG

Im 20. Jahrhundert war die Schweiz regelrecht eine Hochburg der Veloindustrie: Unzählige Velofabrikanten produzierten in der Schweiz. Diverse Entwicklungen haben die Branche gegen Ende des Jahrhunderts negativ beeinflusst. Als Folge davon wird der Grossteil der in der Schweiz zum Verkauf angebotenen Fahrräder heute entweder im Ausland gefertigt oder in der Schweiz entwickelt und mit mehrheitlich ausländischen Komponenten in der Schweiz montiert.

 

Velorahmen aus Stahl, wie 1930 in der Schweiz gelötet

Eine Ausnahme stellt das Traditionsunternehmen Aarios AG dar, gegründet 1930 als «Aarios-Fahrradwerk» und heute in Gretzenbach im Kanton Solothurn zuhause. Als einzige Velofabrik in der Schweiz lötet das Unternehmen, dessen Name in Anlehnung an den Gründungsort Aarau entstand, die Velorahmen auch heute noch selber. Dabei setzt die Aarios AG konsequent auf den Werkstoff Stahl. Ein Material, das aus Sicht von Arnold Ramel gleich mehrere Vorteile hat: «Stahl ist dynamisch, gleichzeitig aber robust und bietet eine gute Stossdämpfung», so Ramel. Viele Fahrradfahrer wüssten allerdings nicht, wie leicht ein hochwertiger Stahlrahmen sein könne. «Unser leichtestes Rennvelo wiegt gerade mal 7kg», so Ramel, gelernter Maschinenbauer. Neben Rennvelos werden bei der Aarios AG auch Reiseräder, Tourenräder oder Old-School-Räder angefertigt.

 
 

Individuell angefertigt, vor Ort zusammengebaut und lackiert

Wer mit Arnold Ramel spricht, merkt relativ schnell, wie viel Herzblut er für das selbst gebaute Fahrrad hat: «Mit 14 Standardgrössen und nochmals 14 Sondergrössen schaffen wir es, jedem ein Rad zu bauen, das zu seiner Körpergrösse passt, von 1.10 bis 2.17m», so Ramel. Bei der Aarios AG wird jedes Fahrrad nach einem persönlichen Beratungsgespräch individuell angefertigt und vollständig vor Ort zusammengebaut. Nach dem Löten werden die Rahmen zur Entfernung von Rückständen ins Säurebad eingelegt, eisenphosphatiert und dann mit einer Pulverbeschichtung versehen, die abschliessende Lackierung ist in 70 verschiedenen Farbtönen möglich. Die Speichen werden von Hand in die Felgen eingesetzt, zum Schluss folgt die Montage von Sattel, Gangschaltung und Lenker. Rund ein Dutzend Mitarbeitende arbeiten in der Fahrradfabrik, wobei das Personal in der Administration bei Engpässen auch einmal in der Produktion eingesetzt wird. «Bei uns weiss jeder, was er zu tun hat», so Ramel.

 
 

Schwierige Branche, die viel Durchhaltevermögen verlangt

Seit der Übernahme der Aarios AG 1974 hatte auch Arnold Ramel einige Herausforderungen zu meistern. Es sei eine schwierige Branche, die viel Durchhaltevermögen verlange, so Ramel. Als Beispiel nennt er den Versuch, E-Bikes zu produzieren: Nachdem sie endlich einen geeigneten Partner in der Schweiz für die Lieferung von qualitativen Motoren gefunden hätten, hätte dieser den Motor aus dem Sortiment genommen. Kein Einzelfall, wie Ramel bestätigt: Fahrradkomponenten wie Bremsen, Lenker oder Zahnriemen würden mit wenigen Ausnahmen heute nicht mehr in der Schweiz produziert. Was die E-Bikes betrifft, wird Ramel nach einer neuen Lösung suchen. Gleichzeitig will der Unternehmer aber auch nicht zwangsläufig alle Trends mitmachen. Um in der Branche überleben zu können, müsse man gut sein, nicht modern, so Ramel.

 
 

Werte wie Tradition, Qualität und Präzision haben einen hohen Stellenwert

«Wer einmal einen Weg eingeschlagen hat, muss diesen konsequent gehen», erklärt Ramel im Hinblick auf das 50-jährige Jubiläum seit der Übernahme des Betriebs 1974. «Swiss handmade by Aarios» heisst, dass hochwertige Räder gebaut werden, die punkto Grösse, Ausrüstung, Farbe und Preis dem Bedürfnis des Käufers entsprechen», so Ramel betreffend Inschrift auf seinen Velos. Ziel sei es, möglichst keine Fehler zu machen, gegenüber dem Kunden ehrlich zu sein und Produkte herzustellen, die zuverlässig, langlebig und wartungsarm seien. Stahl habe eine Lebensdauer von ca. 25 Jahre, so Ramel, nach Ablauf der Lebensdauer könnten der Stahl und alle Metallteile eingeschmolzen und zu neuen Teilen verarbeitet werden. Typisch schweizerische Werte wie Präzision und Qualität haben im Familienunternehmen Ramel einen hohen Stellenwert. Dazu gehört auch, dass Ramel auch im Alter von 78 Jahren noch jedes Fahrrad selbst kontrolliert, bevor dieses das Fabrikgebäude verlässt.

 
 

«Swissness wird beim Schweizer Velo in Zukunft an Bedeutung gewinnen»

Auch wenn für die Aarios AG nach eigenen Angaben nur rund 5 – 10% der Schweizer Bevölkerung als potenzielle Kunden in Frage kommen: Arnold Ramel glaubt, dass «Swissness» beim Schweizer Velo in der Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. «Ich habe immer gesagt, dass die Leute irgendwann kein Geld mehr haben, um Auto zu fahren», so Ramel. Diese Vorhersage hat sich bis heute zwar nicht bewahrheitet. Den Glauben an ein qualitativ hochwertiges, in der Schweiz gefertigtes Fahrrad, das nur mit Körperkraft betrieben wird, gibt Ramel jedoch nicht auf. «In letzter Zeit stellen wir einen leichten Trend fest, dass E-Bike-Besitzer den Wunsch haben, ein normales, sehr gutes Rad zu kaufen, das ihnen viel Freude bereiten soll, weil es individuell für sie gebaut wurde.»

 
 

Was braucht es, um ein Fahrrad mit dem Schweizerkreuz schmücken zu dürfen?

Bei Fahrrädern handelt es sich um ein industrielles Produkt. Allgemeine Anforderungen, damit ein industrielles Produkt gemäss Gesetz (MSchG, Art. 48c) als «schweizerisch» bezeichnet werden darf:

 

60 % der Herstellungskosten (einschliesslich Forschungs- und Entwicklungskosten) müssen in der Schweiz anfallen.

 

Tätigkeit, die dem Produkt die wesentlichen Eigenschaften verleiht, muss in der Schweiz stattfinden.

 

(Ein) wesentlicher Fabrikationsschritt muss in der Schweiz durchgeführt werden.

 

Für diese Kategorie von Waren enthält das Gesetz ebenfalls mehrere Ausnahmen: Beispielsweise besteht die Möglichkeit, Rohstoffe und Halbfabrikate, die in der Schweiz nicht verfügbar sind, unter bestimmten Voraussetzungen aus der Berechnung auszuschliessen.

Zur Übersicht

Artikel teilen