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«Es ist brutal, was die Musiker durchmachen müssen»
Michael Wiener will mit seinem Schweizer Startup Dolfinos Geigenspielern mit einer patentierten Geigenstütze das Musizieren erleichtern und befreit zudem von Fehlhaltungen und chronischen Schmerzen. Denn das Spiel mit dem klassischen Instrument belastet den Körper in hohem Masse.
Startup-Gründer Michael Wiener hat eine Schulterschütze für Geigenspieler entwickelt. Copyright: IGE
Aufgrund der unnatürlichen Haltung und dem Festdrücken zwischen Schulter und Kiefer entstehen Fehlhaltungen und chronische Schmerzen. «Es ist brutal, was die Musiker durchmachen müssen», sagt Michael Wiener. Weltweit spielen etwa 20 Millionen Menschen Violine. «Wir sahen bei Untersuchungen mit 20-jährigen Jungstars, dass die bereits Verkrümmungen an der Wirbelsäule haben. Weil sie immer in gleicher Position verharren müssen und demzufolge Nervenschädigungen haben. «Die Musiker verdienen ein besseres Equipment», sagt Michael Wiener.
Flexible Schulterstütze mit integriertem Schutz für die wertvollen Instrumente
Der Erfinder hat in akribischer Arbeit eine Geigenstütze entwickelt, die sich individuell auf die persönlichen Bedürfnisse und Anatomien anpassen lässt. Durch die schonende Anbringung des patentierten Adapters wird das Klangspektrum erweitert und der delikate Geigenkörper geschützt. Das Schienensystem sorgt für eine gleichmässige Druckverteilung auf der ganzen Aufliegefläche. Ein kunststofffreier Naturkork schützt den Lack. Die Höhe lässt sich frei anpassen und verhindert das anstrengende Einklemmen.
Michael Wiener war 18 Jahre lang Psychologieprofessor und bezeichnet sich als Amateur-Geigenspieler. Als Musikliebhaber kommt er auch mit Künstlern in Kontakt. Hier erfährt er auch von den Schattenseiten des Spiels mit der Violine. «Deshalb wollte ich aus Empathie und technischem Interesse eine Lösung finden», sagt Michael Wiener. Er stammt aus einer Erfinder-Familie. «Mein Vater tüftelte oft an technischen Lösungen. Auch ich konnte als Jugendlicher Stunden in der Werkstatt verbringen und tue dies auch heute noch». Scheitern gehört für ihn dazu – genauso wie das Weitermachen danach. Man wisse nie zu 100%, was passiert. «Das Gefühl, wenn man die Lösung gefunden hat, ist himmlisch». Den Weg zur Schulterstütze von Dolfinos geht er systematisch an, wie folgende Schritte zeigen:
1. Der Blick auf die vorhandenen Erfindungen
Michael Wiener will wissen, was bisher zu seinem Thema erfunden worden ist. Dazu nutzt er u.a. die Begleitete Patentrecherche des IGE. «Unzählige Erfindungen wollten das Problem bereits lösen. Ich sah die seltsamsten Konstruktionen, die sich z.B. nur ein Designer, Arzt oder Ingenieur ausdenken kann, wenn er im stillen Kämmerlein arbeitet», erinnert er sich. Er sieht darin auch, für welche Märkte die Erfindungen geplant sind. Die Recherche hat ihm einen guten Überblick über den Stand der Technik verschafft.
2. Im Verbund eine Lösung entwickelt
Aufgrund der Recherche stellt er fest: «Das Problem hat bisher niemand wissenschaftlich angepackt und nur der interdisziplinäre Ansatz kann die richtige Lösung bringen.» Er bewirbt sich für ein KTI Forschungsprojekt, an dem u.a. Musikmediziner und Akustikforscher mitarbeiten. 13 Sensoren messen während dem Violinen-Spiel die Muskelaktivität, 3 Kameras erfassen die Bewegungsabläufe. Am Ende der umfangreichen Untersuchungen liegen 42 GB Daten zur Auswertung.
3. Studien und erster Prototyp
Gleichzeitig laufen Studien und Meta-Analysen. Demnach haben 60-70 Prozent der befragten Streicher chronische Schmerzen. «Sie üben täglich bis zu zehn Stunden. Das geht irgendwann kaum mehr ohne Schmerzmittel und Physiotherapie», sagt Michael Wiener. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen sowie zahlreichen Interviews mit Musikerin entsteht der erste Prototyp. Das finale Ergebnis sei fast schon eine orthopädische Lösung. «Viele Kunden können dank uns wieder spielen. Die neue Generation ist auch eher bereit, in die eigene Gesundheit präventiv zu investieren».
4. Schutz des Geistigen Eigentums
Der Schutz des Geistigen Eigentums ist für den Erfinder sehr früh ein Thema. «Gemeinsam mit einem Patentanwalt konnten wir in der Patentschrift für den Adapter einen sehr hohen Schutzanspruch (Claim) definieren. Das macht es Mitbewerbern schwer, den Schutz zu umgehen», sagt Michael Wiener. Im Falle der Lamellen-Herstellung für die Kissen mit dem «Gecko Effekt» zieht man ein Geschäftsgeheimnis vor. Die Stütze ist in den wichtigsten Märkten geschützt, also jenen, in denen man z.B. das grösste Verkaufspotenzial sieht. Diese hat man mittels Marktforschung sowie eigenen Erfahrungen ermittelt.
5. Der Markt
Kurz vor Ausbruch der Corona Pandemie wurde erfolgreich die erste Variante der Schulterstütze lanciert, die es inzwischen auch als Variante für Kinder gibt. Innert 3 Monaten konnte Dolfinos ihren Direktverkauf auf über 40 Länder ausdehnen. «Allein der Umsatzanteil in den USA beträgt inzwischen 20%», sagt Michael Wiener.
«Wir stehen kurz vor der Skalierung», sagt Michael Wiener. Man habe alle Voraussetzungen, die sich ein Investor wünsche und es bestehe sogar schon ein Vertrag mit dem weltweit grössten Distributor auf diesem Markt. «Doch in der Schweiz ist es selbst für vielversprechende Jungunternehmen schwierig geworden. Die Risikofreudigkeit von Investoren ist im Vergleich zu den USA eher niedrig», sagt Michael Wiener. Doch er ist zuversichtlich, dass sich noch ein Investor findet.
Tripod für Smartphone, Tablets und Paper
Neben der Geigenstütze hat Dolfinos gemäss eigenen Angaben den «leichtesten, kleinsten und elegantesten» multifunktionalen Notenständer entwickelt. Er ist statisch ausgeklügelt und ist nicht mehr ausschliesslich aus Metall gefertigt, um Gewicht zu sparen. Die Grösse und Gewicht konnte dadurch gegenüber den traditionellen «Foldables» nahezu halbiert werden. «Der Tripod ist zudem mit Tablets oder Smartphones kompatibel und eröffnet uns einen grösseren Markt», sagt Michael Wiener. Der auffaltbare Teil für das Halten von Noten, Bücher etc. ist patentiert. Ein Grossteil der Metallteile wurde durch eine Textilwand ersetzt, die sich durch die Eigenspannung des Systems stabilisiert.