|

Kreativschaffende sollen die Veränderungen in ihrer Disziplin aktiv mitgestalten

Eva Pauline Bossow wünscht sich, dass die Akteure und Akteurinnen des Kreativsektors die durch künstliche Intelligenz geprägten Veränderungen in ihrem Bereich selber gestalten. Als Beraterin mit langjähriger Erfahrung in der Branche macht sie sich dafür stark, dass sich Kreativschaffende intensiv mit KI und deren Auswirkungen befassen und sich auch direkt dazu äussern. Mit der Moderation des Publikumsanlasses CLTR 2024 will sie dazu einen Anstoss geben.

(Bild: IGE)
 

Stellt KI für Kunst- und Kulturschaffende eine Bedrohung dar oder wird sie eher als Chance empfunden?

Eva Pauline Bossow: Beides, das hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel von der künstlerischen Disziplin. Eine Game-Designerin wird wahrscheinlich eher KI-Anwendungen nutzen und als Chance begreifen als ein Violinist. Man könnte sagen, je analoger eine künstlerische Praxis ist, desto grösser ist der Sprung. Aber das muss nicht so sein. Viele Musikerinnen und Musiker arbeiten schon lange mit KI-Tools in der Produktion, Vermarktung und Komposition – auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette kommen unterschiedliche Anwendungen zum Einsatz. Ob dies geschieht, hängt darum auch vom eigenen Zugang und dem Verständnis für die Technologien ab.

Als bedrohlich wird vor allem die Frage des Ersatzes menschlicher Kreation durch künstliche empfunden. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass sich Kunst- und Kulturschaffende mit KI auseinandersetzen – die Möglichkeiten erkennen und für sich nutzen, in ethische Fragestellungen einsteigen und sich mit dem Schutz geistigen Eigentums beschäftigen. Chancenorientiert, aktiv und kritisch gleichermassen.

 

Wie stark setzt die Lehre insbesondere an Hochschulen heute auf KI und geht es überhaupt noch ohne?

Das ist sehr unterschiedlich. Treiber der Entwicklung und Nutzung sind sicher Unternehmen, die den Einsatz von KI-Tools aufgrund von Effizienz- und Leistungssteigerungen pushen wollen. Hochschulen haben eine andere Logik und sind hier – abgesehen von den technischen Fächern – langsamer. Es gibt inzwischen Studiengänge und Module, die sich mit der Anwendung von KI in den Künsten beschäftigen, wie etwa bei der digitalen Kunst, der Musiktechnologie oder der Medienproduktion. Die breite Einbindung steht aber noch aus und ist wichtig, um zu den oben genannten Punkten befähigt zu werden.

Ich wünsche mir, dass die Akteurinnen und Akteure des Kultursektors den technologischen Wandel stärker beeinflussen, ihn mit künstlerischen Methoden und Herangehensweisen ins Visier nehmen und die Veränderungen in ihrer eigenen Disziplin selbst gestalten. Dafür braucht es Wissen und Kompetenzen, aber auch eine offene Haltung, für die es an den Hochschulen Raum geben muss.

 

Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass wir als Gesellschaft über den Umgang mit KI und Plattformwirtschaft sprechen?

 

Weil beide schon heute tief in unseren (Arbeits-)Alltag eingreifen und weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Demokratie und Kultur haben. Das Ausmass ist den meisten von uns gar nicht bewusst. Voraussetzung für die Diskussion rund um KI und Plattformwirtschaft ist aber im ersten Schritt Wissen. Erst wenn wir verstehen, was KI im Jahr 2024 bedeutet, wo sie bereits eingesetzt wird und welche Entwicklungen zu erwarten sind, können wir im zweiten Schritt diskutieren, was sinnvoll, wünschenswert und schwierig ist – und aktiv werden.

In der Plattformwirtschaft, einem Geschäftsmodell, bei dem digitale Plattformen als Vermittler zwischen Anbieterinnen und Nutzern von Dienstleistungen und Produkten fungieren, hat schon lange eine verstärkte Integration von KI stattgefunden. Da ihr Erfolg und Wert von der Sammlung und Auswertung grosser Datenmengen abhängt – je mehr, desto besser –, können sie dadurch ihre Dienstleistungen weiter optimieren und personalisiertere Angebote machen. Oft dominieren einige wenige Plattformen den Markt, was Fragen nach Wettbewerb, Datenschutz und den Arbeitsbedingungen für Plattformarbeitende aufwirft. Diese Entwicklungen erfordern eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, um Missbrauch zu verhindern und sicherzustellen, dass sie im Einklang mit demokratischen Werten stehen. Sie ist aber auch notwendig, damit wir alle den Umgang lernen, Digital Literacy erwerben und den Wandel gemeinsam mit zukünftigen Generationen gestalten können.

 

 

Eva Pauline Bossow

Eva Pauline Bossow ist Unternehmerin und Beraterin mit langjähriger Erfahrung in Kreativwirtschaft, Digitalisierung, Innovation und Entrepreneurship. Sie war als Managing Director des Zurich Centre for Creative Economies und Mitglied des Digitalrats an der Zürcher Hochschule der Künste sowie als Leiterin Kommunikation und Marketing am Zentrum Paul Klee und beim IT-Dienstleister adesso tätig. Heute unterstützt sie als Strategin und Mitglied verschiedener Gremien Organisationen und Startups mit dem Fokus «Future of Work». Sie wirkt am Publikumsanlass CLTR 2024 als Moderatorin mit.

 
Zur Übersicht

Artikel teilen