Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) veranstaltet in Bern regelmässig einen IP@6-Abend (siehe Infobox). In der Vortragsreihe präsentieren Experten neuste Entwicklungen, überraschende Zusammenhänge und ermöglichen Einblicke in die Praxis. Am 4. September war Dr. Robert M. Stutz zu Gast, um Einblicke in das Designrecht zu geben.
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Design neu denken: «Es geht um mehr als schöne Formen»
Wenn wir Design hören, denken wir unweigerlich an den augenfälligen Tisch mit der besonderen Form, den Sessel mit dem besonderen Schwung oder an die unverkennbare Handtasche. Doch für Design-Kenner und Rechtsanwalt Dr. Robert M. Stutz sind Formen und Objekte nur ein Teil der Design-Geschichte.
IGE-Blog: Sie plädieren dafür, den Begriff Design vom Objekt zu lösen und breiter zu denken. Was meinen Sie damit?
Dr. Robert M. Stutz: Designer sind heute nicht mehr primär Produktgestalter sondern in viel umfassenderen Sinne Wert- und Kulturschöpfer. Design ist ein Entwicklungs- und Gestaltungsprozess – nicht das Resultat davon. Es geht um mehr als schöne Formen.
Nämlich?
Auch Dienstleistungen oder Services sind heute Design. Ich denke da zudem auch kreative Methoden zum Entwickeln von Lösungen. Design ist ein Entwicklungs- und Gestaltungsprozess, der sich sowohl auf Dienstleistungen als auch Produkte auswirkt.
Können Sie Beispiele nennen?
Nehmen wir etwa das Communication Design. Ein Bahnunternehmen will den Kunden im Bahnhof optimal und zeitnah informieren. Im Fokus steht dabei also nicht das Objekt, aber man entwickelt im Rahmen der Umsetzung eines entsprechenden Kommunikationskonzeptes eine neue Schriftart oder eine Signaltafel, die den Kunden zum Beispiel im Bahnhof schneller ans Ziel führt. Oder mit Design Thinking steht eine Methode zur Verfügung, wie man kreativ eine Lösung auf eine Fragestellung erhält. Am Anfang steht dabei das Verstehen und das Beobachten der Ist-Situation.
Die Ideenentwicklung erfolgt dann mit Hilfe von Brainstorming und Visualisierungen; Prototypen, welche wiederkehrend getestet und verbessert werden, durchziehen den gesamten Prozess. Das Ergebnis ist somit nicht ein Objekt, sondern ein Konzept, welches aus einem kreativen Prozess hervorgegangen ist. Letztlich beinhaltet Design alles, was sich wertschöpfend auswirkt.
Lässt sich diese Art von Design schützen? Deckt das Gesetz bisher nicht nur Objekte ab?
Das Designgesetz in der Schweiz, aber auch in der EU, schützt nur die Gestaltung von Erzeugnissen, keine Methoden, abstrakte Ideen oder Konzepte. Insofern gibt es keinen Schutz für „Design Thinking“. Ideen, wie man kreativ zu einer Lösung kommt, stehen im Urheberrecht und im Designrecht grundsätzlich jedem frei und nur sofern es um die Nutzung von Naturstoffen oder Naturkräften geht, fällt der Patentschutz in Betracht.
Neben diesem erweiterten Designbegriff: Welche Trends zeichnen sich beim Schutzrecht Design ab?
Ganz klar die Recherchemöglichkeiten im Internet. Dienstleister ermöglichen heute kostengünstige, umfassende Designrecherchen. So findet man nach dem Hochladen eines Fotos schnell heraus, ob die gesuchte Kreation neu ist. Die Software hat noch Mühe mit zweidimensionalen Mustern oder 3D-Objekten, deren Funktion noch nicht klar erkennbar ist. Doch die Tools werden immer besser.
Das ist erst der Anfang einer Entwicklung, denn künstliche Intelligenz wird auch eine immer grössere Rolle spielen. So soll es jetzt schon Lösungen geben, welche die weltweite Recherche im Web erlauben. Irgendwann wird man nicht mehr darum herumkommen, nach bestehenden Formen zu suchen um sich mit dem Launch eines neuen Produktes nicht dem Vorwurf auszusetzen, man habe kopiert.
Welchen persönlichen Bezug haben Sie zu Design?
Ich habe mich schon immer mit Leidenschaft für Design interessiert und zog in Erwägung, das Gestalten zu meinem Beruf zu machen. Als ich vor 30 Jahren dann vor der Wahl stand, habe ich mich für den Beruf des Anwalts entschieden, aber mit dem Fokus auf das Geistige Eigentum. Als Präsident der Berner Designstiftung bin ich auch mit der Förderung und Vermittlung von Design befasst und in internationalen Organisationen engagiere ich mich ebenfalls für den Designschutz. So bin ich beruflich immer in der Nähe des Designs geblieben.
Welche Erfahrungen machen Sie als Rechtsanwalt, wenn es um den Schutz eines Designs geht?
Ich erlebe immer noch oft, dass Kreative ein Design gar nicht anmelden. Es fehlt häufig das Verständnis dafür, dass man seine Kreation zuerst schützen muss, um sie überhaupt erfolgreich kommerzialisieren zu können. In der Modebranche kann ich diese Haltung bis zu einem gewissen Grad verstehen, da die Produkte sehr kurzlebig sind. In der EU hat man das Problem gelöst, in dem ein Design ohne Anmeldung drei Jahre ab Veröffentlichung vor sklavischer Nachahmung geschützt ist. Das wäre für die Schweiz eine Überlegung wert.
Zudem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass bereits eine minimale Abweichung von der Form ausreicht, um den Schutz auszuhebeln. Das stimmt nicht.
Vortragsreihe IP@6
«IP@6» ist eine Vortragsreihe des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE). Die jeweiligen Referate behandeln aktuelle Fragen und Problemkreise im Bereich des Geistigen Eigentums.
Das IGE bietet diese Vortragsreihe gratis an. Die Veranstaltungen finden in Bern statt und dauern max. 90 Minuten. Besucher können im Anschluss an den Vortrag bei einem Apéro in gemütlichem Rahmen ihre Kontakte pflegen.
Weitere Informationen: «IP@6»