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Newsletter 2023/05 Marken und Designs
Sehr geehrte Damen und Herren
Es freut uns, Ihnen die Mai-Ausgabe des Newsletters Marken und Designs zu senden.
01 Kundendienst der Abteilung Marken & Designs 02 Praxislockerung betreffend Hinweise auf Ausstattungsmerkmale: Umfang und Inkrafttreten 03 Praxislockerung betreffend den Schutz des Zeichens des roten Kreuzes 04 Wirkung der Eintragung durch das EUIPO von geografischen Bezeichnungen aus dem Gebiet der EU, die in bilateralen Abkommen enthalten sind 05 Europäische Konvergenzprogramme – Gemeinsame Praktiken KP8 und KP9: Ergebnis des Vergleichs der Praktiken 06 Zulässigkeit und Bedeutung von Nummern und Oberbegriffen in den Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation: Erinnerung an die Grundsätze
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01 Kundendienst der Abteilung Marken & Designs
Unser Kundendienst nimmt Ihre Anregungen, Fragen oder Beschwerden jederzeit gerne entgegen. Wir nehmen Ihr Feedback zum Anlass, unsere Servicequalität kontinuierlich zu verbessern. Gemäss unserem Service-Standard erhalten Sie ein erstes Feedback innerhalb von zwei Arbeitstagen.
Leiterin Kundendienst: Iris Weber, iris.weber@ipi.ch, Tel. +41 31 377 74 00
Stellvertretung: Roland Hutmacher, roland.hutmacher@ipi.ch, Tel. +41 31 377 74 36
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02 Praxislockerung betreffend Hinweise auf Ausstattungsmerkmale: Umfang und Inkrafttreten
Mit Newsletter 2022/12-1 Marken und Designs hat das IGE angekündigt, gestützt auf das Urteil des Bundesgerichts (BGer) 4A_158/2022 – BUTTERFLY, die Praxis zu Hinweisen auf Ausstattungsmerkmale (vgl. die Richtlinien des IGE in Markensachen, Bern 1.3.2022, Teil 5, Ziff. 4.4.2.7.3) zu ändern.
Diese Praxislockerung wird wie folgt umgesetzt:
Neu ist die Hürde für die Zurückweisung von Wortzeichen, welche die mögliche zwei- oder dreidimensionale Gestaltung der Ware beschreiben, sehr hoch. Es gelten zwei kumulative Kriterien: Gemeinfrei sind nur Hinweise auf einen Gegenstand bzw. ein Motiv, das für die betroffenen Waren charakteristisch bzw. typisch ist (also hier am häufigsten oder zumindest deutlich häufiger als andere vorkommt) und das zudem warenspezifische Assoziationen auslöst (also nicht auch bei anderen Waren verbreitet ist).
Wo eine grosse Zahl an dekorativen Motiven bei der zwei- oder dreidimensionalen Gestaltung der Waren vorkommt, lässt sich – genau wegen der Vielfalt – im Regelfall keine typische bzw. charakteristische Gestaltung ausmachen. Dazu kommt, dass eine grosse Zahl an Motiven allgemein beliebt und daher nicht nur bei einer, sondern bei verschiedenen Warengattungen verbreitet ist. Entsprechend wird das IGE unter diesem Gesichtspunkt in Zukunft kaum noch Zeichen zurückweisen.
Die Praxislockerung hat Grenzen: Namentlich bezieht sie sich nicht auf beliebige Markentypen, sondern nur auf Wortmarken (vgl. dazu das Urteil des BGer 4A_492/2022, E. 4.2.1 – Podcast Icon), und greift sie grundsätzlich nur für die vom BGer beurteilte Art von Zeichenaussagen (z.B. gilt betr. Farbbezeichnungen unverändert die Regelung gemäss Teil 5, Ziff. 4.4.2.7.8 der Richtlinien in Markensachen). Vom Urteil nicht erfasst und daher nicht Gegenstand der Praxislockerung sind im Weitern Hinweise auf die Art der Verpackung oder auf funktionale Aspekte, namentlich verwendungsmässige Vorteile der Waren.
Diese Praxisänderung tritt am 1. Juni 2023 in Kraft und wird auf alle hängigen Gesuche angewendet. Die Richtlinien in Markensachen werden per 1. Juli 2023 angepasst.
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03 Praxislockerung betreffend den Schutz des Zeichens des roten Kreuzes
Der vom Rotkreuzgesetz (SR 232.22) statuierte Schutz des roten Kreuzes – der die Eintragung des geschützten bzw. damit verwechselbarer Zeichen als Marken oder Markenbestandteile untersagt – greift unter anderem dann nicht, wenn das Emblem aufgrund weiterer Elemente im Gesamteindruck nicht in der geschützten Bedeutung erkennbar ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn ein für sich genommen in Form und Farbe verwechselbares «+»-Element aufgrund der weiteren Zeichenelemente im Gesamteindruck nicht als Kreuz, sondern als Pluszeichen wahrgenommen wird (vgl. die Richtlinien in Markensachen, Teil 5, Ziff. 7.3 und 9.3.2 f.).
In diesem Zusammenhang lockert das IGE seine Praxis dahingehend, dass die Lesart als Pluszeichen wie folgt weitergehend als bisher angenommen wird:
- Steht das «+» zwischen Elementen mit bekanntem Sinngehalt, deren Verbindung mit «und» entweder semantisch sinnvoll oder doch zumindest so üblich ist, dass die Bedeutung als Pluszeichen im Vordergrund steht, werden die Anforderungen an die Anordnung, Schrift und grafische Gestaltung der Elemente präzisiert: Dass die Elemente nicht auf einer Zeile angeordnet und/oder in anderer Schrift bzw. grafischer Gestaltung gehalten sind, ist per se kein Grund gegen den Sinngehalt als Pluszeichen. Diese graduelle Lockerung geht jedoch nicht so weit, dass das «+» hervorgehoben oder von den anderen Elementen klar abgesetzt sein dürfte.
- Die Bedeutung als Pluszeichen kann auch anzunehmen sein, wenn das «+» zwischen Buchstaben- und/oder Zahlenfolgen ohne erkennbaren Sinngehalt auf eine Art und Weise angeordnet ist, dass es im Gesamteindruck als verbindendes Element erscheint. Dies setzt voraus, dass das «+» in grundsätzlich gleicher Schrift bzw. grafischer Darstellung wie die übrigen Elemente gehalten, d.h. nicht hervorgehoben ist.
- Steht das «+» unmittelbar oder mit geringem Abstand hinter einem Begriff mit bekanntem Sinngehalt, kann – über die schon bisher anerkannte beschreibende Bedeutung im Sinne von «mehr», «zusätzlich» oder «positiv» hinaus – angenommen werden, dass ihm die Bedeutung als Pluszeichen im Sinne eines allgemeinen Qualitätshinweises zukommt (analog der Praxis in Bezug auf das Wort «plus»; vgl. die entsprechende Regel in der Prüfungshilfe). Auch hier ist vorausgesetzt, dass das «+» in grundsätzlich gleicher Schrift bzw. grafischer Darstellung wie das Wortelement gehalten ist.
Diese Praxisänderung tritt am 1. Juni 2023 in Kraft und wird auf alle hängigen Gesuche angewendet. Die Richtlinien in Markensachen werden per 1. Juli 2023 angepasst.
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04 Wirkung der Eintragung durch das EUIPO von geografischen Bezeichnungen aus dem Gebiet der EU, die in bilateralen Abkommen enthalten sind
Gemäss den Richtlinien des IGE in Markensachen, Teil 5, Ziff. 8.5.1.2, wird das Freihaltebedürfnis an einer in einem bilateralen Abkommen enthaltenen geografischen Angabe verneint, wenn diese Angabe im Ursprungsland als Marke für die gleichen Waren und Dienstleistungen und zugunsten des gleichen Inhabers (bzw. dessen Geschäftsvorgängers) eingetragen ist. Eine Eintragung als Unionsmarke durch das EUIPO genügt hierzu nicht.
Das IGE ändert diese Praxis und verneint das Freihaltebedürfnis an geografischen Bezeichnungen eines EU-Mitgliedsstaates, die in einem bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und jenem Staat enthalten sind, neu auch im Fall einer Eintragung der betroffenen Bezeichnung als Unionsmarke durch das EUIPO.
Anlass für diese Praxisänderung ist, dass mit dem Beitritt der EU zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben (SR 0.232.111.14) eine ausschliessliche Zuständigkeit der EU in Bezug auf geografische Angaben begründet wurde (vgl. den Beschluss [EU] 2019/1754 des Rates vom 7. Oktober 2019 über den Beitritt der Europäischen Union zur Genfer Akte des Lissabonner Abkommens über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben).
Damit wird der bisherige Ansatz hinfällig, wonach es in der ausschliesslichen Zuständigkeit des betroffenen EU-Mitgliedsstaates liegt, das Freihaltebedürfnis an den in einem bilateralen Vertrag zwischen diesem Staat und der Schweiz enthaltenen Bezeichnungen zu verneinen.
Trägt das EUIPO eine geografische Bezeichnung eines EU-Mitgliedsstaats, die nicht durch EU-Recht als GGA oder GUB geschützt ist, als Marke ein, greift der Markenschutz automatisch auch im Ursprungsland. Für den Eintragungsentscheid des EUIPO ist irrelevant, ob die fragliche Bezeichnung in einem vom betroffenen Mitgliedsstaat abgeschlossenen bilateralen Vertrag enthalten ist. Das EUIPO prüft die Frage des Freihaltebedürfnisses ungebunden gestützt auf Art. 7 Abs. 1 lit. c der Unionsmarkenverordnung (UMV).
Indem die Mitgliedsstaaten die Wirkung der Unionsmarken auf ihrem Territorium anerkennen, haben sie dem EUIPO die Zuständigkeit zum Entscheid über das Freihaltebedürfnis an ihren geografischen Bezeichnungen – inklusive jener, die in einem bilateralen Vertrag mit der Schweiz enthalten sind – übertragen.
Diese Praxisänderung tritt am 1. Juni 2023 in Kraft und wird auf alle hängigen Gesuche angewendet. Die Richtlinien in Markensachen werden per 1. Juli 2023 angepasst.
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05 Europäische Konvergenzprogramme – Gemeinsame Praktiken KP8 und KP9: Ergebnis des Vergleichs der Praktiken
Das IGE hat die «Gemeinsamen Praktiken» KP8 und KP9 des Netzwerks der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPN) auf die Vereinbarkeit mit der schweizerischen Praxis und Rechtsprechung geprüft (vgl. Newsletter 2022/12-1 Marken und Designs). Die interessierten Kreise sind konsultiert worden und haben die Einschätzung des IGE einhellig unterstützt.
Die Kernpunkte stellen sich wie folgt dar:
- «Benutzung einer Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht» (KP8)
Zwar weicht die Terminologie der «Gemeinsamen Praxis» KP8 teils von der schweizerischen ab, materiell besteht jedoch Übereinstimmung. Das IGE anerkennt die zur Veranschaulichung der massgebenden Grundsätze dienenden KP8-Beispiele, und Markeninhaber können sich in Verfahren vor dem IGE darauf berufen.
Das IGE wird seine Richtlinien in Markensachen per 1. Juli 2023 bei den Ausführungen zum Gebrauch in abweichender Form (Teil 6, Ziff. 5.3.6) mit einem entsprechenden Hinweis ergänzen.
- «Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken (Formmarken), die Wort- und/oder Bildbestandteile enthalten und deren Form allein nicht unterscheidungskräftig ist» (KP9)
Die Grundsätze und konkreten Beispiele der «Gemeinsamen Praxis» KP9 stimmen nicht vollständig mit der schweizerischen Praxis überein und können daher nicht vollumfänglich übernommen werden. Ein Angleichen ist insbesondere dort nicht möglich, wo anderslautende schweizerische Rechtsprechung besteht. Soweit dies nicht der Fall ist, nutzt das IGE den Spielraum und passt seine Praxis teilweise an: Einerseits wird der Ansatz aufgegeben, wonach eine unübliche Position die Annahme von Unterscheidungskraft verhindert (anstelle dieser pauschalen Regel ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen). Andererseits wird das IGE die Anforderungen an die Grösse der unterscheidungskräftigen zweidimensionalen Elemente im Verhältnis zur Form als ganzer ein Stück weit senken (ohne allerdings so weit zu gehen, dass die blosse Erkennbarkeit dieser Elemente auf der Abbildung im Eintragungsgesuch ausreichen würde; es bleibt dabei, dass unverhältnismässig kleine Elemente den [dreidimensionalen] Gesamteindruck nicht wesentlich beeinflussen können).
Diese Praxisänderungen treten am 1. Juni 2023 in Kraft und werden auf alle hängigen Gesuche angewendet. Die Richtlinien des IGE in Markensachen werden per 1. Juli 2023 bei den Ausführungen zur Kombination einer gemeinfreien Form mit unterscheidungskräftigen zweidimensionalen Elementen (Teil 5, Ziff. 4.12.5.2) entsprechend angepasst und mit verschiedenen, der schweizerischen Praxis entsprechenden KP9-Beispielen ergänzt.
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06 Zulässigkeit und Bedeutung von Nummern und Oberbegriffen in den Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation: Erinnerung an die Grundsätze
Damit eine Marke als beim IGE hinterlegt gilt, muss das Eintragungsgesuch ein Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthalten, das in einer Amtssprache des Bundes verfasst ist, nämlich auf Deutsch, Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch (Art. 29 Abs. 1 MSchG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 MSchG; Art. 3 Abs. 1 MSchV i.V.m. Art. 70 Abs. 1 BV, Art. 30 Abs. 1 MSchG und Art. 15 MSchV). Gemäss diesem Grundsatz teilt das IGE, wenn ein Eintragungsgesuch kein Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthält, dem Hinterleger diese Tatsache im Rahmen der Vorprüfung mit und weist diesem Gesuch kein Hinterlegungsdatum zu. Dasselbe gilt, wenn das Eintragungsgesuch ein Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthält, das nicht in einer Amtssprache abgefasst ist (vgl. Richtlinien in Markensachen, Teil 1, Ziff. 5.8.1, Teil 2, Ziff. 4.1 und 4.8). Wenn der Hinterleger in diesen beiden Fällen den Mangel nicht innerhalb der bei der Vorprüfung gesetzten Frist behebt, tritt das IGE auf das Gesuch nicht ein (Art. 30 Abs. 1 MSchG i.V.m. Art. 15 MSchV und Art. 28 Abs. 2 MSchG).
Zulässig sind hingegen Markeneintragungsgesuche, bei denen das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ausschliesslich aus Klassennummern besteht. In einem solchen Fall stützt sich das IGE auf den Grundsatz, dass der Hinterleger diejenigen Oberbegriffe der Klassenüberschriften beansprucht, welche die Nizza-Klassifikation zum Zeitpunkt der Hinterlegung enthält (vgl. Richtlinien in Markensachen, Teil 2, Ziff. 4.1). Analog zu Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen, die ausschliesslich Oberbegriffe aus den Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation beinhalten, werden Listen, die nur aus Klassennummern bestehen, daher gemäss Praxis des IGE als ausreichend präzise angesehen.
Allerdings ist daran zu erinnern, dass in diesem Fall nur diejenigen Waren oder Dienstleistungen geschützt sind, die effektiv unter diese Oberbegriffe fallen. Das heisst, dass mit der Beanspruchung sämtlicher Oberbegriffe einer Klassenüberschrift oder auch nur der entsprechenden Klassennummer nicht in allen Fällen sämtliche in dieser Klasse vorkommenden Waren oder Dienstleistungen abgedeckt sind (vgl. Richtlinien in Markensachen, Teil 2, Ziff. 4.4): So werden beispielsweise die in Klasse 9 klassierten «Schutzhelme», «Knieschützer für Arbeiter» und «Schutzanzüge für Flieger» nicht durch die Oberbegriffe in der Überschrift der Klasse 9 der Nizza-Klassifikation abgedeckt.
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Mit freundlichen Grüssen
Eric Meier
Vizedirektor
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