Das IGE ändert rückwirkend zum 11. Juni 2018 seine Erteilungspraxis bei ergänzenden Schutzzertifikaten (ESZ). Dies auf Grund der vom Bundesgericht im Entscheid BGE 4 A_576/2017 «Tenefovir» vom 11. Juni 2018 vorgenommenen Praxisänderung.
Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Voraussetzung für die Erteilung eines ESZ, wonach ein Erzeugnis «durch das Grundpatent geschützt» sein muss, entsprechend dem europäischen Vorbild (in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs) auszulegen ist. So ist neu für die Erteilung entscheidend, ob das mit einem ESZ zu schützende Erzeugnis in den Patentansprüchen in einer für den Fachmann erkennbaren Art und Weise wiedergegeben ist. Die bisherige Rechtsprechung hatte darauf abgestellt, ob das Erzeugnis in den Schutzbereich des Grundpatents fällt (sog. Verletzungstest).
Das IGE hatte bereits von 2014-2017 mit den Patentanwaltsverbänden (VESPA, VSP und VIPS), AIPPI Schweiz, den betroffenen Industrieverbänden (Interpharma, scienceindustries, vips und Intergenerika) und einem externen Experten ein Konsultationsverfahren zu einer Praxisänderung zur Erteilung von ESZ auf der Grundlage der neueren europäischen Rechtsprechung durchgeführt. Die jetzt neu eingeführte Richtlinie entspricht unverändert den gemeinsam erarbeiteten neuen Prüfungsgrundsätzen, wie sie vom IGE am 22. März 2017 sämtlichen involvierten Kreisen kommuniziert wurden.
Umgesetzt wird die Praxisänderung in Kapitel 13.2.1 der Richtlinien für die Sachprüfung der nationalen Patentanmeldungen. Sie gilt rückwirkend ab dem Zeitpunkt der bundesgerichtlichen Entscheidung, d.h. vom 11. Juni 2018 an. Die neue Praxis wird folglich auf alle seit dann gestellten und auf alle zu diesem Zeitpunkt hängigen Gesuche um Erteilung eines ESZ angewendet.
Für ein besseres Verständnis der neuen Praxis hat das IGE mit den involvierten Kreisen fiktive Fallbeispiele entwickelt. Diese sowie die geänderten Richtlinien finden Sie auf der Webseite des IGE zu den Praxisänderungen unter der Rubrik Recht und Politik > Immaterialgüterrecht National.